Am vorletzten Tag der Literaturwoche in Recklinghausen, am Freitag, den 9. Oktober, gab es im „Kassiopeia“ im Ruhrfestspielhaus eine Lesung mit Literaturgespräch, die viele zu Recht als den Höhepunkt der Woche ansahen.
Der Saal war mit 90 Besuchern und Besucherinnen bis auf den letzten Platz so gefüllt, wie es die Corona-Hygiene-Maßnahmen erlaubten. Und das Publikum war weit jünger als normalerweise bei Literaturlesungen. Erfreulich auch, dass auch viele Menschen mit einem Migrationshintergrund gekommen waren. Das war wohl auch Kübra Gümüşay zu verdanken, die sich überall als Muslima zu erkennen gibt. Frau Gümüsay ist in Hamburg geboren und hat u. a. in Oxford und Hamburg studiert. Ihr Essayband „Sprache und Sein“ hat monatelang auf der Bestsellerliste des „Spiegels“ gestanden und sie war Gast in verschiedenen Talkshows und Literaturmagazinen. Ihr Essay beschäftigt sich mit dem offenen und versteckten Rassismus in unserem Sprachgebrauch.
Eine „gute Bekannte“ auf dem Podium war Shida Bazyar, die vor vier Jahren bereits den großen Saal im Willy-Brandt-Haus gefüllt und die Zuhörerschaft begeistert hatte. Ihr Erstlingswerk, der Roman „Nachts ist es leise in Teheran“, bekam ein Jahr später den renommierten Ulla-Hahn-Preis in Monheim verliehen, ein Preis, der für junge Autorinnen und Autoren gedacht ist. Ihr neuer Roman „Drei Kameradinnen“ ist bereits fertig und wird im Mai 2021 zur Buchmesse in Leipzig beim Verlag Kiepenheuer & Witsch erscheinen. Sie las vorab zwei Stellen aus ihrem Roman, wobei vor allem die ironisch gebrochene Schilderung einer Abiturabschlussfeier Heiterkeit und Begeisterung auslöste.
Die tiefgehende Diskussion zwischen den beiden arbeitete sich entlang der Frage, ob ein Essay oder ein fiktiver Text, ein Roman, besser geeignet ist, feministische und antirassistische Inhalte zu vermitteln. Beide Autorinnen erläuterten ihre Vorstellungen und Gedanken in einer Weise, die ein tiefes Engagement und philosophisch-sozialwissenschaftliche Reflexion offenbarte.
Nahezu kongenial leitete die kundige und bestens vorbereitete Moderatorin Bozena Anna Badura das Literaturgespräch und fand immer wieder Überleitungen zwischen den Gedanken der Gesprächspartnerinnen.
Großer Beifall belohnte nach zwei Stunden intensiven Zuhörens die Schriftstellerinnen. Leider konnte Frau Bazyar noch nicht mit ihrem neuen Buch aufwarten. Für Frau Gümüsay schloss sich noch eine halbstündige Signieraufgabe an; sie fand für alle Interessenten persönliche Worte.
Zu erwähnen ist noch, dass auch Karosh Taha, die Schriftstellerin der beiden Romane „Beschreibung einer Krabbenwanderung“ und jüngst im Jahr 2020 „Im Bauch der Königin“ – sie hat ebenfalls im Rahmen der Literaturwoche gelesen – , anwesend war, weil sich die drei und die Moderatorin kennen. Das zeigte sich auch anschließend im aufgelockerten Gespräch der vier im „Drübbelken“.