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Annette Pehnt: Die schmutzige Frau
20. September 2023 - 19:30
Eigentlich beginnt alles ganz harmlos: Der Ich-Erzählerin wird von ihrem Mann eine Penthouse-Wohnung eingerichtet, mit allem ausgestattet, was eine Autorin zum Schreiben braucht: „Du wolltest doch immer schreiben, sagt er und lächelt.“ Ihr kluger, intellektueller „Meinmann“ hat zu jedem Thema etwas zu sagen: „…er ist belesen, politisch gebildet, musikalisch neugierig, menschlich feinfühlig, sportlich, kundig in Theologie, Ökologie, Geschichte und Finanzwesen, kann kochen und versteht etwas von Tieren, Architektur und Druckkunst, hat die Welt bereist (…) und spricht mehrere Sprachen.“
Dieser Idealmann übt allerdings eine Art „fürsorglicher Belagerung“ (Böll) auf sie aus. Sie kann das Apartment nämlich nicht verlassen. So ist sie ihrem Schreibauftrag und den Gedanken ausgeliefert, die sie ihr bisheriges Leben mit „Meinmann“ reflektieren lassen. Neben schönen Erinnerungen denkt sie intensiv an ihre Fehler, die er ihr oft nachgewiesen hat, und sie hofft auf Läuterung.
In unregelmäßigen Abständen kommt „Meinmann“ vorbei, versorgt sie und fragt nach Ergebnissen ihrer Schreibtätigkeit. Sie liefert ihm ihre Geschichten aus. In der zweiten Geschichte taucht dann die „kleine schmutzige Frau“ auf, die wirklich an Fingernägeln, Haaren, Hautstellen und Schuhen schmutzig ist. Spiegelt sich die Ich-Erzählerin in dieser Figur?
Die Dominanz ihres Mannes ist unerträglich, für sie und den Leser. Ihre Unterwürfigkeit und Selbstbezichtigung unverständlich. Hier treffen scheinbar unauflösliche Gegensätze aufeinander, rhetorische Gewalt ist spürbar. Kann sie sich aus diesem sublimen Gewaltverhältnis herausarbeiten als emanzipierte Frau? Wie kann sich das Verhältnis entwickeln? Da warten einige Überraschungen.
Annette Pehnt ist eine gewandte Erzählerin, die durch ihr Schreiben das Lesen bewusst verlangsamt, indem sie auf Interpunktion und durchgeschriebene Zeilen verzichtet, ohne dass es in einem Versmaß geschrieben wäre. Das bewirkt eine spannende und nachdenkliche Lektüre.
Sie ist eine geübte Vorleserin und schlagfertige Diskutantin, wie sie auf der Leipziger Buchmesse auf dem Blauen Sofa bewiesen hat.
Die in Köln geborene Annette Pehnt, verheiratete Mutter von drei Kindern, lebt in Freiburg, lehrt an der dortigen PH und ist in Hildesheim Professorin für kreatives Schreiben. Sie hat zahlreiche Romane geschrieben und arbeitet auch für die FAZ und die Badische Zeitung.
Moderation: Antje Deistler – Literaturgebiet.Ruhr
Eine Veranstaltung im Rahmen der „Lesebühne”.